Internetrecht – Internetprovider ohne umfassende vorbeugende Filterpflicht (EuGH, Urt. v. 24.11.2011, Az. C-70/10)

 

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte darüber zu entscheiden, ob eine Regelung eines Mitgliedsstaates, die den Internet Service Provider (ISP) verpflichte, Nutzer auszuschließen, die Urheberechte Dritter im Internet verletzten, mit den Grundrechten der Europäischen Grundrechtscharta und der eCommerce Richtlinie (2000/31/EG) vereinbar sei.

Das nationale belgische Gericht hatte dem EuGH diese Frage vorgelegt, weil das Gegenstück zur deutschen GEMA, die belgische Urheberrechtsgesellschaft Sabam,  gegen einen ISP geklagt hatte, dessen Nutzer in so genannten „Peer-to-Peer“ Netzwerken urheberrechtlich geschützte Werke ausgetauscht hatten. Aufgrund einer belgischen Regelung hatte die Sabam den ISP gerichtlich dazu verpflichtet, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden. Dazu sollte ein aufwendiges Filter- und Sperrsystem zur Kontrolle des Datenaustausches installiert werden. Der Generalanwalt monierte bereits in seinen Anträgen eine Verletzung der Artikel 8 und 11 der europäischen Grundrechtscharta.

Der EuGH schloss sich dem an und urteilte, dass eine aktive Identifizierung und Überwachung von Kunden nicht zulässig sei. Die Überwachung der ausgetauschten Datenpakete nicht nur im Header sondern vollständig im Wege der Deep Packet Inspection verstoße gegen die Informationsfreiheit und das Bedürfnis nach Datenschutz der Nutzer.

Gleichzeitig bekräftigte der EuGH aber auch den Schutz des geistigen Eigentums und forderte von den Mitgliedstaaten eine interessengerechte Abwägung der beiderseitigen Interessen. Aus dieser Abwägung folge auch nicht die völlige Schutzlosigkeit des Inhabers des geistigen Schutzrechtes. So könnten nach den bereits bestehenden Richtlinien die Rechteinhaber gegenüber den Vermittlern Maßnahmen zum Schutz ihrer Rechte beantragen. Bei der Ausgestaltung dieses Systems müssten die Mitgliedstaaten jedoch Augenmaß walten lassen, was vorliegend nicht ausreichend erfolgt sei.

Autor: Rechtsanwalt Tobias Michael